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14.11.2019
Do
Veranstaltung

Verfall der Getreidekultur, Aufbau anhand der Reifung

Zeit: 18:00 - 21:00
Ort: Raum 8 , Bahnhofstrasse 8, 5000 Aarau

Beschreibung

Ein Abend im Raum 8 mit Susanne Vögeli https://raum-acht.li/


Im Raum Acht, einem experimentellen Kochlabor, befasst sich Susanne Vögeli mit Lebensmitteln, untersucht Kochvorgänge und deren Prozesse. Susanne stellt Fragen zu alltäglichen Vorgängen beim Kochen und Essen. Fragen, die man sich (leider) selten stellt. Sie eröffnet damit den Besucherinnen und Besuchern neue Dimensionen in der Kochkunst, der Ernährung und der Kulinarik. 

An diesem Abend wird es um Getreide gehen - einer der aktuellen Forschungsgegenstände von Susanne. Wir werden dabei nicht nur hören und sehen, sondern auch riechen und ein Essen geniessen. 



Reflexion des Abends und weiterführende Fragen:

Anhand verschiedener Gerichte mit Getreide sowie geschichtlicher und naturwissenschaftlicher Exkurse wurde uns an diesem Abend das Thema Verfall mit der Geschichte der Getreidekultur und das Thema Aufbau anhand der Reifung, nahegebracht.

Wir degustierten zuerst eine Misosuppe auf Gerstenbasis, die nun seit mehr als 4 Jahren im Atelier von Susanne Vögeli gärt. Durch diese lange Reifung haben sich in der Paste aus Gerstenkörnern und Sojabohnen neue Verbindungen mit den  Proteinen, Fetten und Kohlenhydraten gebildet. Ein komplexer, organischer Geschmack ist entstanden. (https://raum-acht.li/1-2/misosuppe/)

Miso ist ein gutes Beispiele dafür, wie wichtig Zeit für die Reifung und für den Aufbau eines Produktes ist. Als Gegensatz zum Miso steht das Bild der heutigen, häufig verbreiteten Getreidekultivierung und Verarbeitung in der Küche. Man lässt keine oder zu wenig Zeit. Die Folge ist ein Verfall der Lebensmittelqualität der Esskultur, eine Abnahme von Diversität, Geschmack, Farbe und Ästhetik.

Die Gertreidefelder, gemalt von van Gogh, spannten dann einen Bogen zu früher. Man sieht, dass damals die Getreide noch viel längere Halme hatten. Diese ermöglichten eine vollständigere  Reifung der Getreidekörner auf dem Feld als heute. Durch Züchtung wurden die Halme mehr und mehr verkürzt um die Erträge steigern zu können.

 

 

Seither hat die Agrarwirtschaft einen umfassenden Wandel erlebt, von der bäuerlichen hin zu einer industrialisierten Landwirtschaft. Und wieder stehen wir an einem Wendepunkt. «Wir können die Landwirtschaft nicht weiterhin so rationalisieren wie bis anhin. Denn Landwirtschaft ist nicht eine Industrie, sondern eine Kunst», betont etwa Martin Ott, Landwirt auf Gut Rheinau im Kanton Zürich, dem grössten Demeter-Betrieb der Schweiz. «Wir haben», so Ott weiter, «den emotionalen Kontext verloren. Es muss wieder um die Frage gehen, was überhaupt Nahrungsmittelproduktion ist und bedeutet.» Zitat Martin Ott

 

Das metamorphische Prizip bei der Getreidereifung wurde dann ins Zentrum gerückt, nämlich der Wandel einer Getreidepflanze während einem Vegetationszyklus. Weiter wurde disßkutiert ob man alleine durch Betrachtung ein Urteil über die Qualität eines Produktes abgeben kann. «Das Bild, die Gestalt, die Farben, die Stimmung, der Duft, den ich wahrnehmen kann, sagt aus, was für ein Lebensmittel ich vor mir habe», sagt Susanne Vögeli. Dazu der Link zu Goethes anschauende Urteilskraft https://anthrowiki.at/Anschauende_Urteilskraft

Dies ist als weiterführende Frage und Anstoss zur Auseinandersetzung für Quings zu verstehen. Es ist sozusagen ein Appell an jeden von uns, seine Sinne, Intuition und Beobachtungsgabe zu schärfen, damit wir Fähigkeiten erlangen, Produkte beurteilen und in ihrer Komplexität überhaupt wahrnehmen können.

 

Weiter lernten wir Produkte und Zubereitungsarten kennen, die in der alltäglichen Küche heute eher noch selten angewendet werden:

Blinis: Fermentierte Fladen aus Buchweizenmehl (ein Pseudogetreide) mit Randensalat - (https://raum-acht.li/1-2/blini/)

Saitan: Eine exzellente und kostengünstige Variante für Fleischersatz

Kornotto aus Dinkel:

 

Diese Art der Wissens- und Kenntnisvermittlung, wie es Susanne Vögeli macht, ist hoch interessant und sehr nachhaltig, da sie so nahe an die Sinne angegliedert wird und Wissensfelder miteinander verknüpft, die sonst oft sehr weit auseinander liegen.